Wölfe – zwei Bücher zum Weltkinderbuchtag
Heute ist der 2. April, internationaler Kinderbuchtag und 219. Geburtstag des Schriftstellers Hans Christian Andersen. Seit meiner Kindheit bin ich in seine herzergreifende Erzählung von der kleinen Meerjungfrau Undine verliebt. Andersen ist wohl der berühmteste Schriftsteller Dänemarks und zu seinen Ehren gibt es den Weltkinderbuchtag.
Anlässlich dieses besonderen Tages stelle ich heute gleich zwei Kinderbücher vor, eines eignet sich besonders als Vorlesebuch und zum gemeinsamen Anschauen, das andere lässt sich prima allein lesen. In beiden Büchern geht es um Wölfe.
Der Marmeladenwolf
„Der Marmeladenwolf“ ist ein Vorlesebuch für Kinder ab 4 Jahre, geschrieben von Nicole Röndigs und illustriert von Katja Gehrmann. Es hat mich durch sein farbintensives, vorrangig pinkes Cover und einen Wolf in Küchenschürze in seinen Bann gezogen. Mit voller Konzentration rührt der Wolf Marmelade in einem Topf, während die Kinder mit großen Augen durchs Fenster in die Küche hinein blicken. So wurde Isegrim in der Literatur bisher nicht dargestellt.
Diese neue Rolle, die der vermeintliche Bösewicht einnimmt, gefällt mir sehr. Vor allem gefällt mir die legere Sprache, in der die Geschichte erzählt wird. Das hat etwas Aufmüpfiges, Freches und verleiht der Story Pfiff.
Im Buch erfährt man, wie der Wolf zum Marmeladekochen kommt und welche neuen Wege sich ihm durch seine neue Fähigkeit eröffnen. Die Idee ist witzig und kurzweilig umgesetzt. Die Themen Selbständigkeit, Zusammenhalt, Freundschaft, Mut und auch Angst werden dabei beleuchtet und laden dazu ein, sich im Anschluss darüber auszutauschen. Die Bilder sind ansprechend und kindgerecht gezeichnet.
Einzig, dass ausschließlich Omas Marmelade kochen und nicht ein einziger Opa in der Küche steht, finde ich hier zu beanstanden. Aber mit dem Wolf in der Küche lasse ich mich schnell wieder versöhnen.
Hier kommt noch der Klappentext: In einem Dorf am Waldrand lebte einmal ein Haufen Kinder. Ihr Schulweg führte quer durch den großen, dunklen Wald. Eines Tages lief der kleine Carlo direkt einem hungrigen Wolf vor die Schnauze. Natürlich wollte der Wolf den kleinen Carlo fressen – doch weil der Wolf nicht der intelligenteste seiner Art war, schaffte Carlo es mit einer kleinen Notlüge, ihn auszutricksen. Und glücklicherweise hatte er etwas dabei, das dem Wolf viel, viel besser schmeckte als kleine Kinder …
Ein heiteres Märchen vom bösen Wolf mit einer Vorliebe für Süßes – für fröhliche Vorlesestunden, die auch den Großen Spaß machen
Meine Empfehlung: Das Buch mit den Kindern anschauen, die Geschichte miteinander lesen, anschließend Marmelade kochen und das leckere Ergebnis gemeinsam verspeisen.
WOLF
Das zweite Buch ist für Kinder ab 10 Jahre. Es trägt den Titel „Wolf“ und wurde von Saša Stanišić geschrieben. Auch hier geht es um die Themen Freundschaft, Angst und Mut.
Das steht im Klappentext: Ein Ferienlager tief im Wald. Das ewige Wandern, das Braten von Folienkartoffeln, das Sirren von Mücken. Heranwachsende, ein paar Tage aufeinander und auf die Natur losgelassen, lose von einigen mehr oder weniger motivierten Betreuern begleitet. Zwei Klassenkameraden, Außenseiter, versuchen die unliebsamen Aktivitäten und Gruppenzwänge auszuhalten. Einen der beiden, Jörg, trifft es hart – er wird unter Druck gesetzt, erniedrigt, wird andersiger gemacht. Der andere beobachtet die Übergriffe bloß, aus Angst, selbst Opfer zu werden. Als die Situation zu eskalieren droht, taucht auch noch der Wolf auf. Ein Alptraum bloß? Oder eine Aufforderung, sich dem Alptraum der Wirklichkeit zu stellen und mutig zu sein: für sich und andere? WOLF ist ein meisterhaft beobachtender Kinderroman darüber, wie schmal der Grat zwischen Anderssein und Ausgrenzung ist.
Ich traf Saša Stanišić Anfang des Jahres persönlich und hatte die Chance kurz mit ihm über „Wolf“ zu sprechen. „Wolf“ hat mich in seiner Mischung aus harter Kindheitsrealität und mystischer Phantasie beeindruckt. Die beiläufigen Beschreibungen der Umgebung weckten in mir die Erinnerungen an viele Ferienlager, die ich selbst im Brandenburgischen erlebt habe. Auf solche Erinnerungen konnte auch Saša Stanišić zurückgreifen und hat es geschafft, seine Geschichte in der heutigen aktuellen Zeit authentisch anzusiedeln.
Das Cover ist vorrangig gelb und schwarz gehalten. Der Schriftzug „Wolf“ steht über einem Camp mit Lagerfeuer in einem Kiefernwäldchen. Das „O“ in Wolf zeichnet den großen Vollmond darüber. Der besondere Stil wird in den Illustrationen von Regina Kehn durch das gesamte Buch beibehalten.
Erzählt wird aus der Ich-Perspektive. Die alleinerziehende Mutter muss in den Ferien arbeiten und meldet ihren Sohn für ein Sommerlager im Wald an. Der ist alles andere als begeistert und hat viele Argumente dagegen. Dass viele seiner Mitschülerinnen und Mitschüler ebenfalls mitfahren, macht die Angelegenheit nicht besser.
Es hilft nichts, die Entscheidung ist längst gefallen. Auf geht es ins Sommercamp. Unser Erzähler teilt sich die Hütte mit Jörg. Der hat es in der Schule schon schwer hat und auch hier im Camp wird er Opfer von Mobbing und Ausgrenzung. Beide, Erzähler und Jörg, sind Außenseiter. Der eine macht sich selbst dazu, da anderen wird von der Gruppe ausgeschlossen. Die Geschichte der Jungen ist gespickt mit feinen Beobachtungen, Gefühlen und Zweifeln. Das zeigt sich vor allem nachts. Dann kommt der Wolf zu ihnen, dann kriecht die Angst nah an ihr Bett. Mit jedem weiteren Morgen drängen sich allen Beteiligten neue Eindrücke und Erkenntnisse auf. Der Aufenthalt im Wald wird zum Alltag. Es gibt Tagesprogramm mit den Betreuungskräften, die auch ihre Wünsche und Sorgen haben, die keinesfalls perfekt sind, aber an das Gute glauben. Zwischen Hütten, Bäumen, Mücken und Lagefeuer finden sich neue Kräfte, die Raum für Freundschaft und Gegenwehr geben.
„Wolf“ bekommt von mir eine unbedingte Leseempfehlung, gern auch als Hörbuch. Stanišić hat es selbst eingelesen. Ich höre ihm sehr gern zu und als Autor weiß er selbst genau, wie er seine Story vorträgt.