Was sind denn Luftmaschentage?
Endlich!
Endlich kann ich euch wieder einmal eine Buchempfehlung präsentieren. Dass es so lange gedauert hat, liegt nicht etwa daran, dass es keine guten Bücher für Kinder und Jugendliche gibt, der Markt ist voll, doch es haperte mir zu meinem Leidwesen an der dafür notwendigen Zeit. Das für „Luftmaschentage“ seitens Verlag vorgeschlagene Lesealter liegt bei 11 – 12 Jahre. Ich glaube, dass es leseaffine Kinder durchaus schon mit 10 lesen könnten und niemand mit 13 zu alt für dieses Buch ist.
Cover
Das Cover zeigt im Hintergrund eine Kleinstadt, blass gehalten, nur grau und weiß. Im Vordergrund sieht man einen winterkargen Baum, dessen Stamm mit bunter Wolle umhäkelt wurde. Vereinzelte Schnüre hängen aus der blattleeren Krone, die nur im Ansatz dargestellt wird. Auf den sichtbaren Ästen sitzen zwei Kinder, eines links und das andere rechts. Auch hier eine Teildarstellung, man sieht nur die Unterkörper in blauen Jeans. Das Bild ist darüber abgeschnitten.
Was verrät uns der Klappentext?
„Ricci und Mats sind komplett unterschiedlich: Mats spricht wenig, während Ricci, die neue in der Klasse, kein Blatt vor den Mund nimmt und sich damit schnell unbeliebt macht.
Trotzdem werden die beiden Freundinnen, weil Ricci Mats so akzeptiert, wie sie ist. Als rauskommt, dass Ricci ihr etwas verheimlicht, kommt es zum Streit. Mats fühlt sich hintergangen.“
Die Geschichte
Mats heißt Matea. Sie wohnt mit ihren Eltern und ihrem älteren Bruder Aaron im Pfarrhaus. Oben befindet sich die Wohnung, unten das Büro, denn Mateas Mutter ist die Pfarrerin. Die Familie kommt gut miteinander klar. Zwischen Matea und Aaron gibt es die üblichen, harmlosen Kabbeleien unter Geschwistern. Außerhalb der Familie fällt es ihr sehr schwer zu sprechen. Mats ist sehr schüchtern und wie diese Schüchternheit im Buch eine Gestalt bekommt hat mich fasziniert. Ohne zu viel zu verraten kann ich sagen, dass Madame Schüchtern ein Wesen mit äußerlichem hohen Wiedererkennungswert ist und besondere Verhaltensweisen an den Tag legt. Klar, dass Mats keinen Ton herausbekommt.
Bei Ricci, die Riccarda heißt, ist es anders. Die würde sich wahrscheinlich eine Menge Ärger ersparen, wenn sie ein oder zweimal den Mund hielte, aber das wäre dann nicht Ricci. Mit ihr kann Matea sprechen. Warum es ihr gerade bei Ricci gelingt, kann sie nicht erklären, Fakt ist, die beiden freunden sich an und verbringen viel Zeit miteinander. Mats bringt Ricci sogar das Häkeln bei und beim Häkeln gibt es Luftmaschen.
Die Freundschaft wird auf eine harte Probe gestellt, als Mats feststellt, dass Ricci Sorgen und Probleme hat, diese aber nicht mit Mats teilt. Als wäre das nicht genug Aufregung, verschwindet Ricci sogar plötzlich.
Besonderheit:
Der Aufbau der Geschichte gefällt mir gut. Es gibt zwei Ebenen. Ebene eins ist die Handy-Kommunikation der Mädchen via Smartphone mit Text- und Sprachnachrichten. Die Geschichte wird über diese Ebene von hinten aufgerollt und die dazugehörenden Kapitel fallen kurz aus. Ebene zwei erzählt die Geschichte aus Mateas Sicht und beginnt klassisch von vorn. Dieser Kniff sorgt gleich von Anfang an für eine hohe Spannung. Dass etwas passiert ist, ist klar, nur nicht was und wie es passiert ist.
Zur Verdeutlichung:
Kapitel 1: „Sprachnachrichten am letzten Tag mit Ricci
Kapitel 2: „Erster Tag mit Ricci“
Es macht keine besondere Schwierigkeit die Geschichte auf diese Weise zu lesen, sondern sorgt für Neugier. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung. Das Buch behandelt mit sehr viel Einfühlungsvermögen die Themen Freundschaft, Familie, Trauer und Mobbing. Dabei werden die Situationen authentisch und kindgerecht beschrieben. Sie fließen recht natürlich in die Geschichte ein und auch in dem Maße, dass die Kinder sie verstehen können. Niemand wird in Watte gepackt oder überfordert.
Luftmaschentage von Anne Becker, Belzt & Gelberg Verlag, 2023, Lesealter 10 – 13 Jahre